Digital Tuesday LIVE – Besser statt schneller

Prof. Gernot Mödritscher von der Universität Klagenfurt ist Experte für die Digitalisierung von Geschäftsmodellen und Digitale Transformation. Als einer der ersten Kärntner, die eine Email-Adresse bekamen, begleitet er das Thema quasi seit der Stunde null. Im Talk mit Hannes Kirchbaumer spricht er über die Frage nach dem Warum und appelliert für mehr Wachstum durch Qualität.

Als Prof. Mödritscher dem Internet seine Dissertation gewidmet hat, stand dessen Siegeszug noch alles andere als fest. Ob die Technologie für die Wirtschaft relevant werden könne oder gar die Internationalisierung fördern, wollte der Experte für strategisches Management herausfinden. Heute kennen wir die Antwort. Das Internet mitsamt Digitalisierung hat in nahezu allen Lebensbereichen Einzug gehalten und spielt nun vor allem bei der Strukturierung von Geschäftsmodellen eine tragende Rolle. „So groß die Euphorie auch sein mag, zum Selbstzweck darf die Technologie nie werden“, meint Prof. Mödritscher. Doch worauf kommt es wirklich an?

Digitalisierung ist im Wirtschaftsleben zum allgegenwärtigen Schlagwort avanciert. Was gilt es bei der Annäherung aus Ihrer Sicht besonders zu beachten?

Dr. Mödritscher: Aus der Sicht der Forschung stecken wir gerade in einer unglaublich spannenden Entwicklung. Die Corona-Krise wirkt wie ein gigantisches Erkundungsfeld für sehr viele Betriebe. Deshalb erleben wir gerade extrem rasche Entwicklungen. Denn vielen Unternehmen bleibt nun keine andere Wahl. Sie sind unglaublich kreativ und ändern ihre Geschäftsmodelle. Wichtig ist dabei aber, dass man wirklich bereit ist, sich zu verändern.

Welche Chance steckt jetzt in der Digitalisierung, wenn nicht gleich das gesamte Geschäftsmodell auf den Prüfstand muss?

Dr. Mödritscher: In den vergangenen Jahren lag der Fokus besonders stark auf der Dimension des Wachstums. Die Digitalisierung wurde als Treiber dafür genutzt. Jetzt gilt es zu analysieren, wie man dank Digitalisierung qualitativ besser werden kann. Sie hilft uns dabei die Kunden wesentlich besser zu verstehen. Natürlich muss man sich auch um neuen Kunden und Märkte kümmern, aber das kann jetzt im Sinne der Qualität erfolgen, und zwar in Echtzeit.

Welche Rolle spielt dabei die Datenbasis?

Dr. Mödritscher: Es gibt so viele Technologien, Trends und Prozesse, die empfohlen werden. Unternehmen müssen dabei die Orientierung behalten. Das ist eine echte Herausforderung. Vor allem, weil die Basics oft nicht so gut sind, wie sie sein müssten. Man kann extrem viel mit Daten machen. Aber wenn man sich die vorhandenen Daten anschaut, sind sie meistens nicht ausreichend strukturiert. Diese Hausaufgabe muss zuerst erledigt werden.

Dank Digitalisierung können viele neue Ideen erfolgreich umgesetzt werden. Wie beurteilen Sie Österreich in puncto Innovation?

Dr. Mödritscher: Studien zeigen, dass wir beim Reifegrad lediglich „digital aware“ sind. Es gibt nach oben also noch durchaus Luft. Digitalisierung ist für viele Betriebe noch immer Theorie. Ich höre tatsächlich noch manchmal die Frage: Kommt das echt auch nach Kärnten? Gleichzeitig erleben wir extrem tolle neue Geschäftsmodelle. Der Durchschnitt sagt also wenig aus. Es gibt welche, die echt davonziehen und viele, die Aufholbedarf haben.

Gibt es Managementmethoden, die bei der Annäherung dienlich sein können?

Dr. Mödritscher: Besonders spannend ist sicher die Frage nach dem Purpose. Warum braucht es das Unternehmen überhaupt? Daraus ergibt sich viel. Wer will man sein? Das muss der Anker jeder Entwicklung sein. Warum gibt es einen? Darauf muss das Businessmodell fußen. Schauen wir uns an, für wen wir Wert stiften können. Da ist nicht nur Digitalisierung. Das ist die Art, wie man Wert liefern kann und Wertschöpfung unterstützen. Es geht darum Dinge zu tun, mit denen man wirklich eine Einzigartigkeit aufweist. Man muss etwas erreichen, wo man nicht kopiert werden kann. Es geht also um ein Pendeln zwischen dem, was man besonders gut kann und dem Punkt, an dem man Wert stiftet. Und dann kommt die Frage: Was kann man davon digitalisieren? Und wo lässt man die Finger davon? Wie kann man besser werden? Nicht: Wie kann man schnell skalieren?

Es gibt diverse Methoden, um innovativ Ideen zu strukturieren. Wie bringt man sie in Umsetzung?

Dr. Mödritscher: Neue Geschäftsmodelle zu entwickeln ist immer spannend. Man weiß aber aus Studien, dass ein Gutteil der Strategien, die voll Enthusiasmus in Unternehmen erarbeitet werden, nie zur Umsetzung gelangt. Wichtig ist deshalb, dass man seine Strategie wirklich mit Konsequenz verfolgt. Wer das nicht schafft, bekommt jetzt sonst Schwierigkeiten.

ao. Univ.-Prof. Dr. Gernot Mödritscher

Mitglied der Weiterbildungskommission (WBK)
Prodekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften
Stellvertretender Vorsitzender der Fakultätskonferenz der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften